DPJZ 01/2019

1. Fryderyk Zoll

Die unvollkommene Revolution, ihre Legitimierung und Rückabwicklung – eine polnische Erfahrung

Zusammenfassung:

Nach dem bevorstehenden Abschluss der Justizreform durch die Umgestaltung des Obersten Gerichts wird die authoritäre Entwicklung erfahrungsgemäß auch auf anderen Rechtsgebieten vorangetrieben werden. Dies dürfte vor allem die Freiheit des privaten Medien durch Verschärfung des politischen Strafrechts, die Einschränkung der kommunalen Selbstständigkeit sowei die Änderung des Wahlrechts zugunsten der Regierungspartei betreffen. Darüber wird aus der SIcht der gemeinsamen europäischen rechtsstaatlichen Schlüsselwörter: Grundwerte zu berichten sein. rechtsstaat, rechstaatprinzip, reform der justiz, system der gerichtsbarkeit

Summary: After the imminent conclusion of the judicial reform through the transformation of the Supreme Court, authoritarian development will, according to experience, also be promoted in other areas of law. Above all, this should concern the freedom of the private media through the tightening of political criminal law, the restriction of local self-employment and the change of the electoral law in favor of the ruling party. This will be the basis for the report on common European constitutional values.

Keywords: Constitutional state, rule of law, Reform of justice, system of jurisdiction

Über den Autor: Fryderyk Zoll, Prof. UJ und Prof. Universität in Osnabrück, Professur für Europäisches und Polnisches Privatrecht sowie Rechtsvergleichung. E-Mail fryderyk.zoll@uni-osnabrueck.de.

2. Matthias Deller

28 Jahre richterliche Unabhängigkeit im Bundesland Brandenburg. Entwicklungen und Tendenzen

Zusammenfassung:

Durch die friedliche Revolution im Herbst 1989 haben sich auf dem Gebiet des heutigen Landes Brandenburg die Sicht auf die Justiz und der Stellenwert der richterlichen Unabhängigkeit grundlegend geändert. Nach Inkrafttreten des Einigungsvertrages gab es in personeller Hinsicht einen schonenden Übergang, der es etwa der Hälfte der ostdeutschen Richter ermöglicht hat, in dem neu entstandenen demokratischen Rechtsstaat weiterhin als Richter zu arbeiten. Heute haben mehr drei Viertel der Richter im Land Brandenburg keine Ostbiographie. Ein zentrales Element der richterlichen Unabhängigkeit ist die Unversetzbarkeit des Richters. Die Brandenburgische Landesregierung will durch Änderung des Richtergesetzes die Unversetzbarkeit einschränken und künftig eine hälftige Versetzung des Richters gegen seinen Willen ermöglichen. Gefährdet wird die richterliche Unabhängigkeit auch durch die seit Jahren schlechter werdende Personalausstattung der Gerichte. Trotz des wachsenden Personalmangels müssen alle Richter mit dem Erreichen einer starren Altersgrenze in den Ruhestand gehen. Die Gerichte im Land Brandenburg benötigen als dritte Staatsgewalt mehr Eigenständigkeit, um die richterliche Unabhängigkeit schützen zu können.

Schlüsselwörter: richterliche Unabhängigkeit, Einigungsvertrag, schonender Übergang, Unversetzbarkeit, Zwangspensionierung, Personalausstattung der Gerichte.

Summary:

Following the peaceful revolution in the autumn of 1989, the view of the judiciary and the importance of judicial independence have fundamentally changed in the territory of today’s state of Brandenburg. After the entry into force of the Unification Treaty, there has been a gentle transition, which permitted about half of the East German judges to continue to work as a judge in the newly formed democratic state. Today, more than three-quarters of the judges in the state of Brandenburg have no East German biography. A key element of judicial independence is the irremovability of the judge. The Brandenburg state government intends to limit the irremovability by changing the Law on Judges and will allow a half displacement of the judge against his will. Judicial independence is also threatened by the ever-worsening staffing of the courts. Despite the growing shortage of staff all judges are forced with a rigid age limit to retire. The courts in Brandenburg need more autonomy as the third state power in order to protect judicial independence.

Keywords: judicial independence, unification treaty, gentle transition, irremovability, forced retirement, staffing of the courts.

Über den Autor:

Matthias Deller – Direktor des Amtsgerichts Königs Wusterhausen, seit 1995 Richter im Land Brandenburg, von 2009 bis 2015 zugleich ehrenamtlicher Vorsitzender des Landesverbandes des Deutschen Richterbundes; E-mail: Matthias.Deller@agkw.brandenburg.de.

3. Viktor Derka

Verfassungsrechtliche Aspekte der Wiederernennung von Gerichts- und Gerichtsvizepräsidenten

Zusammenfassung:

In dem Artikel wird der aktuelle Stand der Regelung der Ernennung der Gerichts- und Gerichtsvizepräsidenten in der Tschechischen Republik dargestellt. Der Autor berücksichtigte hauptsächlich die Entwicklung der gesetzlichen Regelungen und die relevante Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes, die nachfolgend mit der empirischen Forschung verglichen wurde. Die empirische Forschung wurde gezielt auf den konkreten Verlauf der Auswahlverfahren des Gerichts- und Gerichtsvizepräsidenten und anderen damit verbundenen Angelegenheiten in Tschechien. Berücksichtigt wurde auch das Problem der Verfassungsmäßigkeit der tschechischen Verwaltungspraxis. Der Autor stellte auch einen kurzen Vergleich der Tschechischen Regelungen mit den relevanten deutschen Regelungen (sowohl bundesrechtlichen wie auch landesrechtlichen) dar.

Schlüsselwörter: Gerichtsverwaltung, richterliche Unabhängigkeit, Amtsperioden, Auswahlverfahren, Rechtsstaat.

Summary:

The article deals with the current status of the appointment of presidents and vice-presidents of courts in the Czech Republic, for which the article mainly deals with the development of the legislation, relevant case law of the Constitutional Court, which all subsequently is being compared with empirical research. The empirical research was aimed at the specific course of the selection procedures of the presidents and vice-presidents of courts and other related matters in the Czech Republic, for which the information was collected using the Czech Freedom of Information Act. From this, the author draws short conclusions on the constitutionality of Czech administrative practice. Below, the author makes a brief comparison with the relevant German regulation (both federal and state law).

Key Words: court administration, judicial independence, periods of office, selection process, rule of law

Über den Autor:

Mgr. Viktor Derka – Doktorand im Lehrstühl für Öffentliches Recht III an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth und im Institut für Verfassungsrecht an der Juristischen Fakultät der Karls-Universität in Prag; Email: viktor.derka@uni-bayreuth.de.

4. Ryszard Balicki, Agnieszka Malicka

Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen richterlicher Unabhängigkeit im Kontext der aktuellen Regierungspolitik Polens

Zusammenfassung:

Seit 2015 werden von der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zahlreiche Änderungen der Gesetze über die Organisation und Arbeitsweise ordentlicher Gerichte und des Landesrates für Gerichtswesen, die als Justizreform bezeichnet werden, verabschiedet. Viele von den neuen Vorschriften stoßen auf heftige Kritik sowohl seitens der Vertreter der Justiz als auch der Vertreter der Rechtslehre wegen Verletzung wichtiger Verfassungsgrundsätze, wie z.B. des Grundsatzes der Gewaltenteilung oder des Grundsatzes eines demokratischen Rechtsstaates und wegen der Einschränkung des Rechts auf richterliches Gehör. Es ist schwer heute zu beurteilen welche Folgen die Justizreform haben wird. Trotz Kritik und Protesten seitens der Richterschaft sind diese Vorschriften aber in Kraft getreten und finden Anwendung.

Schlüsselwörter: Justizreform, richterliche Unabhängigkeit, Unabhängigkeit der Gerichte, Richterernennung, Richterbeförderung, Landesrat für Gerichtswesen.

Summary:

Since 2015 the ruling Law and Justice party (PiS) has introduced numerous amendments to the statutes concerning the organisation and functioning of common courts and the National Council of the Judiciary, which were called the judiciary reform. Many of the newly introduced provisions were criticized both by the representatives of the judiciary as well as legal scientists for violating significant constitutional principles, such as the separation of powers or democratic state ruled by law principle and imposing restrictions on the right to fair trial. Currently it is hard to predict what the end result of the judiciary reform will be. Despite the protests and criticism raised by the justice system representatives the new provisions came into effect and are applicable.

Keywords: Judicial reform, judicial independence, independence of the courts, appointment of judges, promotion of judges, National Council of the Judiciary.

Über die Autoren:

Dr. Ryszard Balicki – Adjunkt im Lehrstuhl für Verfassungsrecht an der Fakultät für Rechts-, Verwaltungs- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Wroclaw, Beauftragter des Rektors der Universität Wroclaw für die Kontakte mit Medien. Email: ryszard.balicki@uwr.edu.pl.

Dr. Agnieszka Malicka – Adjunkt an der Fakultät für Rechts-, Verwaltungs- und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Wroclaw, Leiterin des Zentrums für Fremdsprachiges Rechtsunterricht und Direktorin der Schule des Deutschen Rechts. Email: agnieszka.malicka@uwr.edu.pl.

5. Tomasz Stawecki

Legislative changes of the Polish justice system in terms of judicial independence

Zusammenfassung:

Der Prozess der Gesetzesänderung, der seit Herbst 2015 in Polen stattfindet und als „Justizreform” bezeichnet wird, umfasst eine Vielzahl von neu verabschiedeten und geänderten zur Zeit geltenden Gesetzen. Diese Änderungen sind Gegenstand vieler Diskussionen und darunter auch kritischer Beurteilung: Eine der Gründe ist die Tatsache, dass diese in großer Eile verabschiedetet Änderungen Lösungen enthalten, die die Unabhängigkeit der Gerichte und die richterliche Unabhängigkeit, insbesondere im Verhältnis zur vollziehenden Gewalt (zur polnischen Regierung) verletzen. Es scheint, den Politikern viel zu bedeuten, dass sie sich die Richter durch Anwendung des sog. „Einfrierungseffekts“ (freezing effect) und durch das Hervorrufen des „vorauseilender Gehorsams“ (anticipatory obedience). unter den Richtern unterordnen. In dem Beitrag wurden diese neuen gesetzlichen Lösungen, die derartige Folgen haben können, analysiert.

Schlüsselwörter: Justizreform, Gesetzänderung, Unabhängigkeit der Gerichte, richterliche Unabhängigkeit, Einfrierungseffekt, vorauseilender Gehorsam.

Summary:

The process of legislative changes taking place in Poland since late 2015 and called a “judicial reform” includes a huge number of statutes, both newly enacted as well as amendments to the existing laws. All these legal changes are subject to numerous discussions, however some of the opinions are critical. One of the reason of doubt and criticism is the fact that rushed legislation includes certain regulations which seem to violate the independence of the courts and judiciary, in particular with respect to the Executive (the Polish government). Parliamentary majority aims at making judges subjected to the political authorities, especially through the application of a so-called freezing effect and the elicitation of an anticipatory obedience of judges. This paper analyzes new institutions and solutions that may have such consequences.

Keywords: judicial reform, legislative changes, independence of courts, judicial independence, freezing effect, anticipatory obedience.

Über den Autor:

Dr. habil. Tomasz Stawecki – Richter am Woiwodschaftsvewaltungsgericht in Warschau und Professor an der Juristischen Fakultät der Universität Warschau.

Er unterrichtet Rechtstheorie und Rechtsphilosophie (seit 1980), führt auch Spezialkurse zur rechtlichen Interpretation und Argumentation sowie zur Methodik der Sozialforschung. Seine Forschung umfasst auch Rechtsethik, Verfassungsrecht und Rechtsvergleichung.

Forschungsaufenthalte auch in Oxford, Washington, Florenz, Moskau u.a. Autor von etwa 100 Publikationen. Mitglied der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie (IVR); In den Jahren 1991-2015 als Anwalt in internationalen Anwaltskanzleien in Polen und als Berater des polnischen Parlaments, der polnischen Regierung, der polnischen Nationalbank und anderer öffentlicher Institutionen tätig.

Email: t.stawecki@wpia.uw.edu.pl.